Infektionsschutz - Seuchenmanagement
Epidemien und Pandemien ─ gestern und heute
Die Menschheitsgeschichte ist von Infektionskrankheiten geprägt: Pest, Pocken, Cholera oder Spanische Grippe forderten über die Jahrhunderte weltweit mehrere Millionen Todesopfer. Erst durch verbesserte Hygienemaßnahmen und den medizinischen Fortschritt im 20. Jahrhundert konnte eine pandemische Verbreitung vieler hochinfektiöser Krankheiten weitestgehend eingedämmt werden.
Doch auch heute noch gehören Epidemien und Pandemien keineswegs der Vergangenheit an. Viele Infektionskrankheiten, wie Malaria und Ebola, beschränken sich heutzutage überwiegend auf ärmere Länder. Andere treten häufig im Zusammenhang mit Naturkatastrophen auf (z. B. Cholera).
Die jährlichen Influenzapandemien und auch die weltweite Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) zeigen, dass Epidemien und sogar Pandemien auch in den Industrieländern eine ernstzunehmende Gefahr darstellen.
Vorbereitungen auf eine unbekannte Gefahr
Vorhersagen über die Entstehung und den Verlauf zukünftiger Infektionskrankheiten hinsichtlich ihrer Ausbreitungsrichtung, der Ausbreitungsgeschwindigkeit und dem verursachten Krankheitsverlauf sind nicht oder nur schwer möglich. Wie viele Menschen werden betroffen sein? Wie schwer werden sie erkranken? Wie viele sterben?
Dennoch müssen sich Staat, Wirtschaft und Gesellschaft auch auf zukünftige Infektionslagen vorbereiten, um die Auswirkungen weiterer Pandemien so klein zu halten wie möglich.
Im Vergleich zu anderen Schadenlagen und Katastrophen, wie Stromausfällen, Cybergefahren oder Naturkatastrophen, ist die Pandemie ein Sonderfall: So sind Pandemien räumlich nicht begrenzt, sondern können sich weltweit ausbreiten. Die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft können von den Folgen betroffen sein. Unterstützung durch andere Staaten und Organisationen wird ─ insbesondere zu Beginn einer Pandemie ─ kaum zu erwarten sein. Darüber hinaus muss mit einem zeitlichen Verlauf über mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre gerechnet werden. Zu Anfang der Pandemie besteht in der Bevölkerung aller Voraussicht nach noch keine Immunität gegen den neuen Erreger. Spezifische Impfstoffe und Medikamente stehen noch nicht zur Verfügung.
Jedoch ist die Vorlaufzeit vom ersten Ausbruch bis hin zur Entwicklung eines umfassenden Infektionsgeschehens aller Voraussicht nach länger, als bei anderen Schadenlagen, sodass bereits erste Vorbereitungen getroffen werden können. Mit den Erfahrungen aus vorangegangenen Pandemien können potenzielle Auswirkungen abgeschätzt und erste Maßnahmen geplant werden.
Staatliche Pandemieplanung
Das Robert-Koch-Institut (RKI) „ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention und damit auch die zentrale Einrichtung des Bundes auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung. Die Kernaufgaben des RKI sind die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere der Infektionskrankheiten.“
Da der Infektionsschutz auch im Zivilschutzfall eine entscheidende Rolle spielen kann, beschäftigt sich darüber hinaus das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit dem Seuchenmanagement in derartigen Lagen.
Im Jahr 2005 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe unter der Federfügung des Robert Koch-Instituts (RKI) den Nationalen Pandemieplan (NPP) für Deutschland auf der Grundlage der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dieser wurde 2007 ergänzt und 2017 komplett überarbeitet. Zudem wurde 2020 im Rahmen der Corona-Pandemie eine „Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan – COVID-19 – neuartige Coronaviruserkrankung“ herausgegeben.
Auf Grundlage des NPP haben die Bundesländer eigene Pandemiepläne erstellt, die dessen Maßnahmen konkretisieren und an landesspezifische Besonderheiten anpassen. Sie enthalten Hinweise und Empfehlungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst und weitere, an der Pandemieplanung und -bekämpfung beteiligte Akteure, um notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Pandemie sowie zu ihrer Bewältigung ergreifen zu können. Zum Teil enthalten die Pandemiepläne der Länder auch erste Hinweise für eine betriebliche Pandemieplanung (z.B. Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Thüringen).
Teil der staatlichen Pandemieplanung ist darüber hinaus die Vorbereitung auf mögliche Infektionsgeschehen beispielsweise durch Risikoanalysen und akteurs- und ebenenübergreifende Krisenmanagementübungen:
2007: LÜKEX 07 ─ Weltweite Influenza-Pandemie
In der Länderübergreifenden Krisenmanagementübung LÜKEX haben Bund, Länder, Behörden, Hilfsorganisationen, Verbände sowie Unternehmen und Organisationen der Wirtschaft 2007 eine weltweite Influenza-Pandemie mit schwerwiegenden Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft beübt.
Die beteiligten Akteure trainierten die Zusammenarbeit und die Abstimmungswege bei der Bewältigung eines des Infektionsgeschehens in einem vorausschauenden, ressort- und länderübergreifend abgestimmten Krisenmanagement.
2012: Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz ─ Pandemie durch Virus Modi-SARS
2012 veröffentlichte die Bundesregierung die Ergebnisse der „Risikoanalyse: Pandemie durch Virus Modi-SARS“. Die Risikoanalyse beschreibt den Eintritt und die Ausbreitung eines außergewöhnlichen Seuchengeschehens durch einen neuartigen Erreger sowie die zu erwarteten Auswirkungen auf die Bevölkerung, ihre Lebensgrundlagen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Anhand eines fiktiven Szenarios modellierte die Expertengruppe um das BBK unter Federführung des RKI den hypothetischen Verlauf eines denkbaren Extremereignisses („reasonable worst case") und bestimmte die für ein solches Seuchengeschehen anzunehmende Eintrittswahrscheinlichkeit und das zu erwartende Schadensausmaß gemäß der Methode der Risikoanalyse für den Bevölkerungsschutz auf Bundesebene.
Die Ergebnisse der Risikoanalyse Pandemie können den jährlichen Berichten des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) an den Deutschen Bundestag entnehmen.
Betriebliche Pandemieplanung
Während es Ziel des staatlichen Pandemieplanung ist, die Versorgung, Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung so weit wie möglich zu gewährleisten, können und sollten auch Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Pandemieplanung Maßnahmen ergreifen, um die Gesundheitsrisiken für ihre Beschäftigten zu minimieren und die Funktionsfähigkeit des Unternehmens aufrechterhalten zu können.
Die betriebliche Pandemieplanung ist nicht nur für das Unternehmen und seine Beschäftigten von existenzieller Bedeutung ─ insbesondere die Aufrechterhaltung öffentlicher Funktionen und essentieller Infrastrukturen liegen auch im gesamtstaatlichen Interesse, wie etwa die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln, die Sicherstellung der Energieversorgung sowie ein funktionsfähiges Transportwesen.
Die große Vielfalt von Betrieben in Branchen, Produkten und Dienstleistungen, Kunden und Lieferanten, Betriebsstrukturen und -größen erfordert dabei jeweils eine individuelle Planung. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe möchte Unternehmen, aber auch Behörden und Organisationen bei der Aufstellung ihrer eigenen Pandemieplanungen unterstützen:
Mit dem „Handbuch Betriebliche Pandemieplanung“ hat die Redaktionsgruppe rund um das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg und das BBK eine Art „Werkzeugkasten“ erstellt, der auf dem nationalen Pandemieplan basiert. Das Handbuch dient Betrieben, die einen eigenen Pandemieplan aufstellen wollen als Ratgeber: Es befasst sich mit den Planungen auch für diejenigen Betriebe, die keine unmittelbare Aufgabe zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Produkten und Leistungen haben.
Ziel ist es, mögliche Auswirkungen einer Pandemie aufzuzeigen, und den Unternehmen eine Hilfestellung zu geben, um eine voraussichtliche eigene Betroffenheit zu ermitteln. Anhand dessen ist es den Unternehmen möglich, erste Maßnahmen zu ergreifen, die für ein Aufrechterhalten des Geschäftsbetriebs in Betracht kommen.
Corona-Pandemie: Handlungsempfehlungen des RKI
Alle Fragen rund um das neuartige Coronavirus SARS-CoV hat als zuständige Behörde das Robert Koch-Institut auf seiner Website gesammelt.