Waffenwirkung:
Sprengstoffe
Leider kein Einzelfall
Am 22. Juli 2011 glich das Regierungsviertel in Oslo einem Trümmerfeld. Vor seinem Massaker auf der Insel Utøya ließ der Attentäter in Norwegens Hauptstadt eine Autobombe detonieren. Acht Menschen verloren ihr Leben. Die Fenster nahegelegener Gebäude zerbrachen oder gerieten ganz aus den Angeln, Trümmerteile pflasterten die Straßen. Bei der Bombe handelte es sich um sogenannten Flüssigkeitssprengstoff, den der Täter hauptsächlich aus handelsüblichem Kunstdünger herstellte. Es ist gerade diese Tatsache, die die Gefahr eines Anschlags auf Menschen oder Kritische Infrastrukturen so unberechenbar erscheinen lässt. Doch gibt es Möglichkeiten, Gebäude oder wichtige Infrastrukturen noch nachträglich gegenüber Waffenwirkungen zu stärken.
Sprengstoffarten
Grundsätzlich der Menschheit einen hohen Nutzen bringt Sprengstoff der Menschheit einen hohen Nutzen. So findet er im Tunnelbau oder beim Abbau von Gestein Verwendung. Zugleich ermöglicht die kontrollierte Sprengung maroder Gebäude die schnelle Rückgewinnung von Baugrund. Generell sind hier Sprengstoffe aus Ammoniumnitrat gefragt. Sprengstoffe für militärische Zwecke haben eine ungleich stärkere Wirkung. Bekannt ist vor allem Trinitrotoluol (TNT). Jedoch entwickeln Forscher Substanzen, die dessen Sprengkraft bei Weitem übertreffen. Besonders gebräuchlich sind momentan der Plastiksprengstoff C4 sowie das Research Department Explosive (RDX). Ammonium Nitrat Fuel Oil (ANFO) kommt vermehrt bei Terroranschlägen zum Einsatz.
Die Detonationswirkung
Bei einer Explosion von Sprengstoff entstehen Gase, die sich über eine Druckwelle ausbreiten – kugelförmig, also in alle Richtungen. Von einer Detonation ist die Rede, wenn die Druckwelle mit Überschallgeschwindigkeit voranprescht. Dann herrscht ein enorm hoher Überdruck, dessen Größe letzten Endes das entscheidende Kriterium für das Ausmaß der Folgen ist. Besonders problematisch ist die Reflexion der Druckwelle an der Rückseite eines Bauteils. Die Wirkung der Welle zeigt sich dort noch stärker. Kurzzeitige Spannungen entstehen, die zu Rissen führen. Andererseits kann die Kombination aus Druck und Reflexion das Bauteil durchlöchern. Für ein Gebäude bedeutet dies meist eine Einsturzgefahr.
Der Schutz – Abstand halten
Sprengstoffanschläge sind gerade wegen der einfachen Herstellung von sogenannten Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV) so unberechenbar. Ist die Druckwelle stark genug, versagt selbst Stahlbeton. Ohne Frage: Bei der Materialwahl sollten Bauherrn neue Wege gehen, wollen sie sich für den Extremfall wappnen. Vor allem sind sie mit einem Motto gut beraten: „Abstand halten!“
Wie Bauteile bei Sprengstoffanschlägen reagieren, hängt zunächst von der Entfernung des Detonationsortes zum Gebäude ab. Bei größerem Abstand, hält das Fraunhofer Ernst-Mach-Institut (EMI) fest, verteilt sich „die Druckwelle nahezu gleichförmig“ – das Bauwerk biegt sich. Unschön, aber nicht annähernd so gefährlich wie eine Nahdetonation, mit der ein Einsturz einhergehen kann. Der Überdruck nimmt mit zunehmender Entfernung zum Gebäude ab. Für die Vermeidung schwerer Schäden empfiehlt es sich also, den Abstand zum potentiellen Detonationsort so groß wie möglich zu halten.
Hier ist Gebäudeschutz vor allem Perimeterschutz (Schutz durch die oder auf den das Gebäude umgebenden Flächen). Insbesondere eine große Freifläche rund um das Bauwerk kann sich auszahlen. Allein durch zusätzlich bewehrte Mauern kann Autos – einem häufigen Transportmittel für Sprengstoff – jegliche Zufahrt verwehrt bleiben. Darüber hinaus empfehlen sich Autobarrieren aller Art – zum Beispiel Poller. Ebenso gehört zum Perimeterschutz ein ausgereiftes Überwachungssystem. Eine Kombination von Kameras, Sicherheitspersonal und Detektionssystemen macht eine gute Strategie aus.
Derweil sind Schutzwände eher dann gefragt, wenn die Freifläche um das Bauwerk gering bemessen ist. Kann eine Schutzwand um das Objekt dieses nicht hinreichend vor Sprengstoff schützen, vermindert sie zumindest die Detonationswirkung.
Dämpfungsschicht
Gleichsam kommt den Materialeigenschaften große Bedeutung zu. Das Ernst-Mach-Institut weist beispielsweise auf das rasche Versagen von Beton hin. Der Grund dafür sei zum einen sein geringer Widerstand gegen Zugkräfte, zum anderen die Porosität des Stoffes, breche dadurch doch beim Druckstoß „seine innere Struktur“.
Das Hauptaugenmerk beim Schutz sollte auf einer Reduzierung der Spannung liegen, die auf den Überdruck und dessen Reflexion zurückgeht. Eine vielversprechende Lösung scheint ein sogenannter „Polymerbeton“ zu sein.
Als Ersatz für die bei Hochhäusern üblichen Stahlbetonstützen könnten dem EMI zufolge „mit Beton ausgegossene Stahlrohre“ dienen. Bei einer simulierten Nahbereichsdetonation zeigte sich die Verbundstütze leicht verformt, während die herkömmliche Variante förmlich zerfetzt wurde.
Weitaus spröder als Beton ist Mauerwerk. Detonationen haben bei Ziegelwänden deshalb noch katastrophalere Effekte. Abhilfe schaffen kann lediglich eine Bewehrung. Schlitze in Ziegeln erlauben eine Verstärkung durch Lamellen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK).
Glas schützen
Gehen Fenster zu Bruch, besteht höchste Gefahr für Personen wegen der Splitter, die umherfliegen. Folglich sollten Fenster auf der Seite, die sich dem wahrscheinlichen Anschlagsortder zuwendet, eher spärlich gesät sein. Glasfassaden sollte man dagegen gänzlich vermeiden. Setzt der Bauherr trotzdem auf gläserne Elemente, tut er gut daran, diese in angemessenem Material auszuführen. Extrahohe Resistenz bietet der Verbund mehrerer Scheiben mit speziellen Kunststofffolien. Zwar kann die Folie des Verbundsicherheitsglases (VSG) reißen, die Splitterbildung bleibt dann jedoch aus. Vielmehr zieht sich ein einfacher Riss durch die gesamte Scheibe.
Den Splitterflug nicht verhindern, ihn dafür jedoch abbremsen können Fangnetze oder ein spezielles Splitterschutzpendel in Form eines Vorhangs.
Auf den Punkt gebracht
- Sprengstoffe haben zuallererst zivilen Nutzen, sind jedoch seit jeher auch im militärischen Bereich weit verbreitet
- Relativ einfach herstellbare Flüssigkeitssprengstoffe erhöhen die Gefahr von Anschlägen
- Eine Detonation breitet sich mit Überschallgeschwindigkeit als kugelförmige Druckwelle aus
- Besonders problematisch ist ein hoher Überdruck, der sogar noch verstärkt wird, wenn er mit Reflexion einhergeht
- Eine Sprengstoffdetonation lässt Glasscheiben zerbersten, verursacht Risse in der Wand und gefährdet ein Gebäude mitunter in seiner Tragfähigkeit
- Bei Hochhäusern sind vor allem freistehende Stahlbetonstützen anfällig
- Beton kann durch eine Dämpfungsschicht geschützt werden. Diese wirkt energieabsorbierend. Durch Faserbeton wird die Verformbarkeit des Gebäudes erhöht. Stahlstützen können durch Stahlrohre, die mit Beton ausgegossen sind, ersetzt werden
- Mauerwerk lässt sich mit Faserverbundstoffen oder gar einer Art „Tapete“ bewehren. Lamellen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff in Ziegeln bieten ebenfalls eine Verstärkung des Mauerwerks
- Fenster und Glasfassaden von besonders schützenswerten Gebäuden sollten auf der sensiblen Seite vermieden werden. Zumindest aber sollte der Bauherr auf Verbundsicherheitsglas setzen. Spezielle Fangnetze oder Vorhänge können einen guten Splitterschutz bieten