Podcast Krankenhausalarm- und -einsatzplanung: Folge 08 – Patientendokumentation

Gast: André Solarek, Leiter der Stabsstelle "Katastrophenschutz und Notfallplanung" der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Welche Daten müssen in einer Schadenlagen vom Patienten erfasst werden? Auf welcher gesetzlichen Grundlage? Welche Vorbereitungen sollten bereits im Vorfeld getroffen werden, um in der Lage direkt mit der Dokumentation beginnen zu können, auch wenn die Zeit drängt oder die PatientInnen nicht ansprechbar sind? Und welche Rolle spielt dabei das Krankenhausinformationssystem? Diesen und weiteren Fragen widmen sich die Experten in dieser Folge des Podcasts „Krankenhausalarm- und -einsatzplanung“.

Aufnahme am 26. April 2021

Podcast Krankenhausalarm- und -einsatzplanung: Folge 08 – Patientendokumentation

Dauer: 08:59 Quelle: BBK / yapola GbR

Textversion des Audio-Beitrags

Intro & Begrüßung

Martin Weber:
[0:05] Willkommen zurück zu unserer achten Episode der Podcastreihe zur Krankenhausalarm- und -einsatzplanung. Heute zum Themenschwerpunkt Patientendokumentation. Dazu ist heute unser Gast André Solarek. Er leitet beim Vorstand Krankenhausversorgung der Charité die Stabsstelle Katastrophenschutz und Notfallplanung. Hallo André, schön, dass du dir die Zeit für uns nimmst.

André Solarek:
[0:25] Hallo Martin.

Martin Weber:
[0:26] Mit mir zusammen als Interviewpartner begrüße ich Detlef Cwojdzinksi, der als Experte im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz seit vielen Jahren den Bereich der Krankenhausalarm- und -einsatzplanung maßgeblich mitgeprägt hat. Detlef, hallo.

Detlef Cwojdzinski:
[0:39] Hallo Martin.

Martin Weber:
[0:41] An der Technik – ganz herzlichen Dank dafür – begrüße ich Philipp Schunke. Danke, dass du uns wieder unterstützt.
Mein Name ist Dr. Martin Weber und ich bin an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zuständig für die Ausbildung im Bereich Krankenhausalarm- und -einsatzplanung.

Warum Patientendokumentation

André, warum werden denn überhaupt persönliche Daten erfasst? Und warum gibt es eine Patientendokumentation bei euch in den Krankenhäusern?

André Solarek:
[1:08] Wir sind verpflichtet für die Patienten entweder ganz klassisch analog in den Patientenakten oder heutzutage eher in den Krankenhausinformationssystemen Patientenstammdatensätze anzulegen, um die ganze medizinische Dokumentation zu machen und dann später die Fälle natürlich auch zu archivieren und dann gegenüber den Leistungsträgern entsprechend abzurechnen.
Im Rahmen der Katastrophenvorsorge oder der Bewältigung von Schadensereignissen sind wir aber auch vom Gesetzgeber her verpflichtet, die Daten der Patienten, die wir in den Kliniken versorgen, an die jeweiligen Personenauskunftsstellen, beispielsweise bei der Polizei oder anderen Behörden, zu übermitteln, damit diese dann Angehörige informieren können oder eben auch auf Suchanfragen von Angehörigen entsprechend reagieren können.

Welche Daten werden erfasst?

Detlef Cwojdzinski:
[2:00] André, wenn wir uns jetzt mal den Katastrophenfall anschauen: Welche Daten werden denn von den Patienten üblicherweise erfasst?

André Solarek:
[2:06] Also wir sind ja froh über alles, was wir bekommen. Aber um vielleicht auch Patienten zuzuordnen, die nicht mehr sprechen können, wär's natürlich schon immer sehr hilfreich, wenn wir Name, Vorname und Geburtsdatum haben. Damit kommt man schon relativ weit.
Alles, was dann zusätzlich noch kommt, wie beispielsweise die Adresse, gerne auch Krankenversicherung und so weiter, sind Daten, die sind dann, wie man so schön sagt, "nice to have", aber nicht zwingend erforderlich. Aber die Erstgenannten wären schon die Kerndaten, die wir brauchen, um eine rudimentäre Dokumentation hinzubekommen.

Detlef Cwojdzinski:
[2:43] Gibt's nicht sogar eine Vorgabe der Datenschützer, was ihr denn überhaupt erfassen dürft? Ihr könnt da nicht einfach frei weg Daten erfassen, oder?

André Solarek:
[2:50] Die Katastrophenschutzgesetze geben das teilweise vor. Ich habe jetzt nicht den kompletten Überblick über die gesamte Republik. In Berlin ist von der zuständigen Verwaltung eine entsprechende Vorlage erstellt worden, die dann auszufüllen ist. Es gibt auch Bundesländer, die über spezielle DV-Systeme arbeiten, wo die Kliniken dann direkt über ein System die Daten erfassen und die dann direkt online an die entsprechenden Stellen übermitteln. Und da, denke ich, ist das dem Datenschutz entsprechend gut und akribisch beleuchtet und freigegeben worden.

Detlef Cwojdzinski:
[3:24] Aber das heißt ja auch, dass die Krankenhäuser tunlichst sich im Vorfeld eines Ereignisses mit den zuständigen Behörden abstimmen müssen, was sie da zu tun haben, oder?

André Solarek:
[3:32] Absolut, absolut.

Eindeutige Identifikation

Martin Weber:
[3:34] Das hört sich schon gar nicht so unkompliziert an. Aber wie wird denn das jetzt tatsächlich sichergestellt, dass ein Patient eindeutig gekennzeichnet wird und es keine Verwechslungen geben kann? Und wie geht ihr dabei vor, wenn Patienten nicht ansprechbar sind oder sie keine Dokumente mit sich führen? Wie kann man das dort sicherstellen?

André Solarek:
[3:53] Also wir machen's ganz klassisch mit analogen Kennzeichnungen im Rahmen der Sichtung. Bei uns werden ja bei einem Alarmausruf die Wege etwas umgestaltet. Also nicht nur bei uns, ich denke mal in vielen Krankenhäusern ist ja dann der Sichtungspunkt der einzige Zugang zum Klinikgelände oder eben zur Notaufnahme, wo die Patienten dann entsprechend registriert werden.
Wir haben für den ersten Angriff ganz einfache Akten fertiggemacht mit einer Standardausstattung an Dokumentation, die wir brauchen und wir haben im Vorfeld in unserem Krankenhausinformationssystem „Dummyfälle“ angelegt, die dann in diesen Akten schon mit entsprechenden Nummern vorbereitet sind. Und jeder Patient, der die Klinik betritt, bekommt im Prinzip diese Nummer über ein Armband an den Mann oder an die Frau gebracht, sodass es dann eine eindeutige Zuordnung im Nachgang geben kann. Man kann bereits Barcodes scannen, man kann gleich auch im Schockraum schon die ersten Laboraufträge und Röntgendiagnostik lostreten, sodass dann eben auch über den Weg sichergestellt ist, dass die richtigen Befunde zum richtigen Patienten kommen.

Dokumentation des Behandlungsverlaufs

Detlef Cwojdzinski:
[5:04] Im Normalbetrieb würdet ihr ja die Diagnostikbehandlung natürlich immer im Krankenhausinformationssystem dokumentieren. Im Einsatzfall muss das ja nun alles schneller gehen. Die Wege müssen kürzer sein. Wie würdet ihr dann patientenbezogen den Behandlungsverlauf dokumentieren?

André Solarek:
[5:20] Also wir haben da so einen kleinen vierseitigen Bogen erstellt, der sich quasi an den Behandlungsschritten orientiert. Das ist einmal die Eingangssichtung, die dokumentiert wird, dann wird die erste Versorgung im Schockraum oder im erstbehandelnden Bereich entsprechend dokumentiert: viele Fragen zum Ankreuzen, das berühmte Männchen zum Kennzeichnen von Verletzungsmustern und so weiter. Und geht dann über die Verordnung von weiteren Maßnahmen bis hin zur Dokumentation für die stationäre oder auch dann für die ambulante weitere Versorgung. Also ein vierseitiger Mantelbogen sozusagen, der als erstes in dieser Akte liegt und dann auch ganz einfach händisch ausgefüllt werden kann.

Detlef Cwojdzinski:
[6:03] Und im Nachhinein dann ins Krankenhausinformationssystem kommt?

André Solarek:
[6:06] Genau, der wird dann eingescannt und geht dann an den Fall ran. Das ist ja heutzutage technisch alles möglich. Aber wenn die Kapazitäten da sind, spätestens wenn der Patient im OP ist, kann natürlich auch auf die gängigen KIS-Dokumente zugegriffen werden und dann eine vernünftige OP-Planung und ein vernünftiger Anästhesieverlauf auch entsprechend dokumentiert werden.

KIS in der Lage

Martin Weber:
[6:29] Da hast du jetzt gerade ein perfektes Stichwort geliefert für die nächste Frage, nämlich "wenn die Zeit da ist". Welche Rolle spielt denn das Krankenhausinformationssystem im Katastrophenfall? Weil da ist es ja oftmals so, dass es fast gar nicht mehr aufhört und die Zeit, die Sachen in Ruhe einzupflegen, in der Lage überhaupt nicht verfügbar ist. Was sollte da implementiert werden? Was sollte da im Vorfeld integriert und vorbereitet werden, damit man das überhaupt umsetzen kann oder damit das irgendwie funktioniert?

André Solarek:
[7:00] Also ich hatte ja eingangs schon gesagt, wir haben unsere Fälle, die sind jetzt schon verfügbar. Das heißt, wir haben, ich muss jetzt lügen, ich glaube, fast 6.000 Fälle schon angelegt im System, die sofort verfügbar wären.
Man muss natürlich immer ein bisschen gucken: Ich denke, dass die Dokumentation grade im OP oder auch für die Anästhesie, auch auf der Intensivstation, mittlerweile so hoch technisiert ist, da kommt man ohne das KIS eigentlich gar nicht mehr aus. Zumindest in den größeren Häusern. Und wenn man eine Dokumentation analog macht, die sonst keiner kennt, wird es, glaube ich, auch im Alarmfall schwierig, das die da zur Anwendung kommt. Also ich denke schon, dass das KIS zunehmend eine Rolle spielt.
Und man muss Wege finden, wie man schnell auch mit den standardisierten KIS-Dokumenten dann im Alarmfall hantiert. Ich meine, mittlerweile gibt's ja KIS-Applikationen, die laufen auch auf einem Tablet, sodass man da überlegen sollte oder langsam umdenken sollte und guckt, dass man diese Informationen und Dokumente, die man braucht, dann auch auf dem Weg zur Verfügung stellt und die Mitarbeiter die Daten da entsprechend erfassen und eingeben.

Martin Weber:
[8:10] Wobei natürlich die Low-Tech-Variante auf dem Papier den großen Charme hat, dass sie auch gegen Technikausfälle gefeit ist, nicht?

André Solarek:
[8:18] Das ist der zweite Weg. Also wir nutzen unsere, ich sage jetzt mal, „KAT-Akten“ auch für einen eventuellen Ausfall der IT-Infrastruktur. Das ist richtig.

Dank & Abschied

Martin Weber:
[8:27] Ja, mein lieber André, dann herzlichen Dank, dass du dir heute die Zeit genommen hast, um uns zu unterstützen und all unsere Fragen beantwortet hast. Ein liebes Dankeschön auch an meine lieben Kollegen für die Vorbereitung und die Durchführung dieses Podcasts.
Und an Sie, liebe Zuhörer, für Ihr Interesse ebenfalls ein herzliches Dankeschön. Wir hören uns wieder zur nächsten Episode in dieser Serie. Alles Gute, bleiben Sie gesund und bis zum nächsten Mal. Dankeschön und tschüss.

Detlef Cwojdzinski:
[8:53] Tschüss allerseits.

André Solarek:
[8:54] Dankeschön, tschüss.

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