Podcast Krankenhausalarm- und -einsatzplanung: Folge 10 – MANV-Planung

Gast: Oberstarzt Prof. Dr. Axel Franke, Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz und Leiter der "Sektion Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie" der "Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie" (DGU)

Prof. Dr. Franke gibt einen Einblick in die Planungen und die praktische Umsetzung organisatorischer und medizinischer Maßnahmen bei einem Massenanfall von Verletzten insbesondere auch vor dem Hintergrund einer terroristischen Lage. Er erläutert den Algorithmus, der - abweichend von der individualmedizinischen Versorgung - in den zentralen Funktionsbereichen ablaufen sollte, um das Funktionieren der Versorgung in einem solchen Massenanfall sicherzustellen und relative oder absolute Mangelsituationen zu bewältigen. Dabei geht er auch auf die Rolle des sogenannten zentralen operativen Notfallkoordinator (ZONK) ein.

Aufnahme am 26. April 2021

Podcast Krankenhausalarm- und -einsatzplanung: Folge 10 – MANV-Planung

Dauer: 21:50 Quelle: BBK / yapola GbR

Textversion des Audio-Beitrags

Intro & Begrüßung

Martin Weber:
[0:05] Herzlich willkommen zur zehnten Episode unserer Podcastreihe zur Krankenhausalarm- und -einsatzplanung. Heute zum Thema Massenanfall von Verletzten, Planungen für einen MANV und Planung für Terrorlagen. Dazu ist heute unser Gast Prof. Dr. Axel Franke, leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Wiederherstellungs-, Hand- und plastische Chirurgie und Verbrennungsmedizin am Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz. Zusätzlich ist Herr Prof. Franke noch Leiter der Arbeitsgruppe Einsatz, Katastrophen und taktische Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Lieber Axel, schön, dass du dir heute die Zeit für uns nimmst und herzlich willkommen.

Axel Franke:
[0:47] Ja, vielen Dank für die Einladung und guten Abend.

Martin Weber:
[0:49] Mit mir zusammen wieder als Interviewpartner begrüße ich ganz herzlich Detlef Cwojdzinksi. Er ist Experte im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz und hat seit vielen Jahren in Deutschland den Bereich der Krankenhausalarm- und -einsatzplanung mit aufgebaut und geprägt. Hallo Detlef.

Detlef Cwojdzinski:
[1:04] Hallo Martin.

Martin Weber:
[1:05] Mein Name ist Dr. Martin Weber und ich bin an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zuständig für die Ausbildung im Bereich der Krankenhausalarmund -einsatzplanung.

MANV Erste Maßnahmen

Lieber Axel, zum Thema Massenanfall von Verletzten und Planungen dafür und vor allen Dingen auch Vorbereitung auf terroristische Lagen bei uns in Deutschland: Was sind die unmittelbaren ersten Maßnahmen bei solchen Ereignissen im Krankenhaus? Wie kann man sich auf sowas vorbereiten? Und was ist das, um was man sich als Allererstes kümmern muss?

Axel Franke:
[1:40] Für mich das Schwierigste und das Wichtigste am Anfang ist, dass man erst einmal erkennen muss, dass eine solche Situation oder Lage für das Krankenhaus vorliegt. Entweder dadurch, dass man von außen alarmiert wird oder dass man informiert wird darüber, dass ein vermehrtes Aufkommen von einer besonderen Art von Verletzungen im Krankenhaus wahrgenommen wird.
Und dann gilt es einen zu identifizieren, der im Grunde die Initiative ergreift und die Lage als solches benennt, also sagt "Okay, wir haben's hier mit einem Massenanfall von Verletzten zu tun."
Und dann ist der nächste Schritt, dass man im Grunde eine operative Krankenhauseinsatzleitung einrichtet, diejenigen Entscheidungsträger, die aktuell vor Ort arbeiten und da sind, informiert und einbezieht und dann eine Alarmierung auslöst im Krankenhaus, so wie sie im besten Fall im Krankenhausalarm- und -einsatzplan hinterlegt ist für diese Situation.

Detlef Cwojdzinski:
[2:39] Wenn ich dich richtig verstehe, Axel, gehst du schon davon aus, dass die Alarmierung auf offiziellem Weg eventuell nicht erfolgt und du dich dann quasi selber aktivieren musst, weil schon die ersten Patienten ins Krankenhaus kommen. Kann das sein?

Axel Franke:
[2:51] Genau, das ist ja das Problem, was wir heutzutage haben und was in der Situation eines Massenanfallsdurch ein terroristisches Ereignis eigentlich das Grundproblem ist: dass es zu Beginn kaum Lageinformationen gibt, die Polizei auch aus Sicherheitsgründen und einsatztaktischen Erwägungen heraus relativ zurückhaltend ist mit Informationen zur Lage und es sein kann, dass die Verletzten im Krankenhaus eintreffen – auch durch Selbsteinweisung und fußläufig, ohne dass offiziell quasi die Situation benannt und eine Alarmierung über die Leitstelle erfolgt ist.

Relative und Absolute Mangelsituation

Detlef Cwojdzinski:
[3:29] Wichtig ist in der ersten Situation natürlich eine Lagerbeurteilung. Und du benutzt ja zur Beurteilung der MANV-Situation, um eine Einschätzung über die eigenen Ressourcen zu bekommen, die Begriffe relative oder absolute Mangelsituation. Warum differenzierst du da?

Axel Franke:
[3:46] Weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass man sich am Anfang über den eigentlichen Mangel im Klaren ist. Der Massenanfall zeichnet sich ja dadurch aus, dass ich einen akuten Mangel an Behandlungskapazitäten habe. Der kann entweder dadurch vorliegen, dass so viele Verletzte pro Zeiteinheit kommen, dass absolut meine Behandlungskapazitäten überschritten sind oder dass mir jetzt, als Beispiel, eine bestimmte Kompetenz zur Bewältigung in der Situation fehlt.
Zum Beispiel habe ich eine Schädigung oder einen Massenanfall von Erkrankten durch ein infektiöses Geschehen. Dann wäre quasi meine Mangelressource unter anderem die Fähigkeit Patienten zu isolieren und mein Personal zu schützen.
Wenn ich aber zum Beispiel ein Explosionsereignis oder einen Busunfall habe, wo in kürzester Zeit einfach zwanzig, dreißig Patienten ins Krankenhaus gebracht werden – da kann ich das gesamte Krankenhaus alarmieren und trotzdem wird, absolut gesehen, meine Behandlungskapazität überschritten sein.
Und wenn man jetzt wieder an die Alarmierung und quasi die Auslösung des Ereignisses „Massenanfall von Verletzten und Erkrankten im Krankenhaus“ denkt, dann wäre es zielführend, am Anfang einfach für sich festzustellen: was ist mein absoluter Mangel? Also was für eine Ressource muss ich zum Beispiel mobilisieren, damit ich frühestmöglich diese Mangelsituation wieder beenden kann?
Und wenn zum Beispiel bei einer Terrorlage, wo wir vorherrschend penetrierende und perforierende Verletzungen haben und Patienten, die hämodynamisch relevant bluten und die direkt im OP versorgt werden müssen, der Mangel an Teams, die einen solchen operativen Eingriff, die Versorgung einer Höhlenverletzung zum Beispiel, sicherstellen können, gegeben ist, dann kann ich unter Umständen im ersten Schritt durch eine selektive Alarmierung von Ärzten, d.h. Chirurgen und Anästhesisten, die diese operative Versorgung sicherstellen können, diesen Mangel frühzeitig eingrenzen.

Zentrale Funktionseinheiten

Martin Weber:
[5:54] Du hast ja jetzt zwei Spezialbeispiele direkt vorne weggenommen: Den Massenanfall von Infizierten auf der einen Seite und die besonderen Verletzungsmuster bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen, bei terroristischen Anschlägen zum Beispiel, auf der anderen Seite. Welche sind denn jetzt die ganz speziellen Funktionseinheiten und Funktionsbereiche eines Krankenhauses, die bei einem solchen Massenanfall eine ganz besondere Rolle spielen für dich?

Axel Franke:
[6:17] Also das Erste, was sichergestellt sein muss, ist, dass der Patientenzustrom ins Krankenhaus kontrolliert wird und dass die Patienten, die dort ankommen, gesichtet werden. Die Sichtung und Kategorisierung ist quasi die Grundvoraussetzung dafür, dass die Patienten einer entsprechenden, fokussierten Behandlung zugeführt werden können – das heißt, dass sie in der Mangelsituation das bekommen, was unmittelbar lebenserhaltend ist.
Der Zutritt zum Krankenhaus und die Wegeführung der Patienten soll auch sicherstellen, dass das Krankenhaus in seiner Funktionsweise nicht nachteilig beeinflusst wird.
Wenn zum Beispiel viele fußläufige Betroffene in der Notaufnahme sind, ist zwangsläufig der Platz und die Möglichkeit Verletzte dann im weiteren Verlauf dort zu behandeln, eingeschränkt. Und deswegen: der erste Schritt und sozusagen die Organisation des Zutrittes für Patienten ins Krankenhaus ist die Einrichtung einer Sichtungsstelle, wo ich kontrollieren kann, welche Patienten kommen und dass die als erstes gesichtet und kategorisiert werden.

Detlef Cwojdzinski:
[7:26] Dazu werden wir übrigens hier einen eigenen Podcast nochmal machen, weil das so ein zentrales wichtiges Thema ist.

Axel Franke:
[7:31] Ganz interessant. Also genauso, wie man natürlich da auch darüber nachdenken muss, wie nachteilig sich Über-Triage und Unter-Triage auswirken kann, ist die Sichtung sicherlich das Wichtigste, um weitere Ressourcen zuzuteilen in der Behandlung von Verletzten.

Detlef Cwojdzinski:
[7:46] Ich habe dich unterbrochen. Es gibt ja noch andere Funktionseinheiten sicher, ne?

Axel Franke:
[7:50] Ja, also bezogen jetzt auf die Organisation des Krankenhauses oder bezogen auf die unmittelbare Patientenbehandlung?

Detlef Cwojdzinski:
[7:56] Aufs Krankenhaus bezogen, ja.

Axel Franke:
[7:58] Ja, dann ist natürlich die weitere Alarmierung, also, ich sag mal, die Kontaktaufnahme mit den regulären im Krankenhausalarm- und -einsatzplan vorgesehenen Personen zum Einrichten einer Einsatzleitung wichtig.
Und dann gehören aber auch alle Organisations- und Sicherheitskräfte dazu, die das Funktionieren der Notaufnahme sicherstellen. Sei es jetzt der Sicherheitsdienst, sei es das Labor, sei es die Blutbank und dann natürlich bestimmte Facharzt-Hintergrunddienste. Das hängt so ein bisschen davon ab, welches Szenario dem Ganzen zugrunde liegt.
Und dann gilt es natürlich wichtige Schaltstellen in der, ich sag mal, Behandlungsplanung und Behandlungspriorisierung im weiteren Verlauf zu besetzen.

Behandlungskapazität erhöhen

Detlef Cwojdzinski:
[8:45] Dabei differenzieren ja viele Krankenhäuser auch schon in Behandlungsbereiche, eben für die Leichtverletzten, Mittel- und Schwerverletzten. Das ist sicher eine Maßnahme, um sich auf eine erhöhte Behandlungskapazität einzustellen. Aber welche Maßnahmen würdest du denn noch so treffen in deinem Haus, wenn du die Behandlungskapazität jetzt tatsächlich erhöhen willst? Wenn du weißt, du brauchst einfach mehr Ressourcen – wie würdest du die schaffen?

Axel Franke:
[9:08] Der Hauptpunkt ist sicherlich die Einschränkung der Elektivversorgung. Wenn man an den operativen Bereich denkt, ist es natürlich schwierig laufende Operationen zu beenden, aber zumindest die frühestmögliche Beendigung der OP und das Informieren des Personals im OP ist eine ganz wichtige Maßnahme.
Das Zweite ist, dass alle Maßnahmen, die ohne Nachteil für Überleben und Outcome des Verletzten oder Erkrankten aufgeschoben werden können, auch aufgeschoben werden sollten.
So wie wir in der Sichtung kategorisieren und für die Patienten, die von außen kommen, quasi eine Dringlichkeit festlegen, wie sie behandelt werden müssen in den einzelnen Behandlungsbereichen, genau so muss ich die gleichen Kriterien für die Dringlichkeit der Durchführung der Maßnahme bei den Patienten, die schon im Krankenhaus sind, anlegen.
Und dem entsprechend ist dann die Reduzierung dieser Elektivmaßnahmen, das Freimachen von Behandlungskapazitäten durch Verlegung von Patienten in andere Bereiche oder andere Krankenhäuser, aber auch das Umwidmen von Räumlichkeiten erforderlich. Also zum Beispiel die Nutzung von Behandlungsplätzen, die mit einem Monitor ausgestattet werden können, dann zum Beispiel als Behandlungsbereich rot oder gelb. Und das Dehnen und Ausdünnen der Betreuungsstärke, also dass ich zum Beispiel Personal freisetze, weil ich auf der Zwischenüberwachungsstation Personal abziehe, weil ich vielleicht im Aufwachraum Personal abziehe. Das alles sind Maßnahmen, um Personal in den zentralen Behandlungsbereichen in der Notaufnahme zu verstärken und dementsprechend dort die Behandlungskapazität zu steigern.

Praktische Umsetzung

Martin Weber:
[10:59] Also sind ja die organisatorischen Elemente der medizinischen Versorgung einer Lage eines Massenanfalls zum Ersten die Kategorisierung, dann die Periodisierung, die Disposition und dann hinterher die Realisierung, wenn ich dich richtig verstanden habe, oder?

Axel Franke:
[11:12] Ja.

Martin Weber:
[11:13] Wie kann man denn diese organisatorische Leitlinie in die Praxis umsetzen? Ich denke, das ist ja wahrscheinlich dann die wirkliche Herausforderung. Theorie ist das eine, aber das Ganze auch in der Lage irgendwie so umgesetzt zu bekommen, ist ja meistens was ganz anderes, oder?

Axel Franke:
[11:28] Ja, das ist ja auch so, wie wir es entwickelt haben und im Leitfaden für die Krankenhausalarm- und -einsatzplanung hinterlegt haben, eigentlich das Neue. Während wir bis ich sag mal, zum letzten Leitfaden ja die Elemente medizinische Einsatzleitung (MedEL), Krankenhauseinsatzleitung (KEL) und so weiter hatten – die unzweifelhaft total wichtig sind für das Gesamtfunktionieren des Krankenhauses – hat man grade in den Szenarien, die mit Terror oder Amok zu tun haben, also lebensbedrohlichen Einsatzlagen, festgestellt, dass es enorm wichtig ist, dass die Patienten die zeitnah versorgt werden müssen von einem gesehen werden, der auch in der Lage ist, die Indikation für eine direkte zeitnahe operative Versorgung zu stellen.
Also die Patienten kommen ins Krankenhaus, sie werden am Sichtungsplatz kategorisiert. Dann gibt es jemanden, der sie im Behandlungsbereich rot oder gelb sieht und festlegt, zu welchem Zeitpunkt mit welcher Maßnahme sie operativ versorgt werden müssen. (Priorisierung)
Und dann gilt es festzulegen, welche weiteren Maßnahmen sozusagen den Erfolg der operativen Versorgung oder der Behandlung sicherstellen. Also welches Labor ist wirklich wichtig? Welche Bildgebung ist wirklich wichtig? Das ist die sogenannte Disposition. Die darf aber die eigentliche Versorgung nicht weiter verzögern. Und dann gilt es, diese Versorgung zu realisieren, sprich auch die Teams zusammenzustellen, die diese Behandlung durchführen können.
[12:58] Und dieser Prozess, Martin, wie du ihn schon genannt hast, mit der Kategorisierung am Anfang, die Priorisierung im Verlauf und dann die Disposition der zusätzlichen Maßnahmen ohne Verzögerung und die Realisierung – das ist halt dieser neue Algorithmus oder die neue Prozessbeschreibung, die wir für die Erstellung des Leitfadens implementiert haben.

ZONK

Detlef Cwojdzinski:
[13:18] Ja nun muss man ja auch sagen, die Terrorbedrohung ist ja wirklich erst in den letzten Jahren so gewachsen und die DGU hat sich ja da wirklich verdient drum gemacht und hat da neue Konzepte für entwickelt. Und unter anderem habt ihr auch die Funktion eines zentralen operativen Notfallkoordinators, ihr kürzt den mit ZONK ab, fürs Krankenhaus geprägt. Warum, meinst du, braucht ihr solche Funktionen zukünftig? Warum muss das jedes Krankenhaus haben?

Axel Franke:
[13:43] Weil es entscheidend ist, dass bei den Patienten, die hämodynamisch relevant bluten, es einen gibt, der die Indikation für die operative Versorgung stellt. Es gibt durchaus, bei den Patienten, die dringlich kategorisiert werden, also rot (SK-1) klassifiziert werden, Patienten, die ich sag mal zwei bis vier Stunden warten können, bis sie operativ versorgt werden. Und dann gibt es halt Patienten, die versterben zeitnah, wenn sie nicht direkt in den OP kommen. Und das kann eigentlich nur jemand entscheiden, der operative Erfahrung hat – deswegen operativer Notfallkoordinator.
Natürlich muss man sagen, dass das vom Konzept her für große Kliniken konzipiert wurde und man kann sich durchaus vorstellen, dass in einem kleineren Krankenhaus diese Funktion auch mal von jemandem wahrgenommen werden muss, der jetzt vielleicht nicht Viszeral- oder Unfallchirurg ist, weil der Chirurg, der da ist, gebraucht wird, um im OP die ersten Leute zu operieren. Dann ist es durchaus denkbar und auch zielführend, dass zum Beispiel ein erfahrener Anästhesist und Notarzt diese Entscheidung trifft.
Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass diese Entscheidung getroffen werden muss. Also es hilft nichts, diese Entscheidung auszusitzen oder zu verzögern, weil niemand da ist, der sie treffen möchte oder kann, weil das natürlich damit verbunden ist, dass die Patienten sterben. Und deswegen ist das so wichtig. Und diese Schaltstelle ist, ich sag mal, wenn man an eine mittlere oder größere Klinik denkt, nicht unbedingt vom medizinischen Einsatzleiter oder von der Krankenhauseinsatzleitung zu besetzen, die viel zu viel damit zu tun hat das Drumherum, also das Funktionieren des Krankenhauses, das Nachführen von Ressourcen an Personal und Material, sicherzustellen.

Detlef Cwojdzinski:
[15:35] Also ich möchte es auch aus meiner Sicht nochmal kurz unterstützen. Wir haben eben auch die Erfahrung gemacht, dass dieses Ressourcenmanagement, vor allen Dingen für die Schwerstverletzten, nochmal eine ganz besondere Herausforderung ist. Einsatz OP-Siebe, Einsatz von erfahrenen Chirurgen und so weiter – das ist ein echtes Problem. Deshalb kann man die Rolle eigentlich sogar ein bisschen weiter interpretieren und sagen: er ist im Prinzip auch der Ansprechpartner für diese ganz speziellen Ressourcen, die man braucht, um Schwerstverletzte zu versorgen. Siehst du das genauso?

Axel Franke:
[16:06] Ja, natürlich. Man muss das auch jetzt nicht unbedingt an der Begrifflichkeit ZONK festmachen, sondern es gibt ja Krankenhäuser, die zum Beispiel einen Chirurgen als Leiter Behandlungsbereich Rot eingesetzt haben, weil sie davon ausgehen, dass die hämodynamisch-instabilen Patienten im Behandlungsbereich rot kommen oder auflaufen. Dann heißt er halt nicht ZONK, dann heißt er anders.
Aber was uns wichtig war bei der Idee ist, dass eben die Verantwortung wahrgenommen wird, und einfach jemand da ist, der im besten Sinne als ein Kümmerer sozusagen für diese kritisch verletzten Patienten verbindlich festlegt: Was muss mit denen geschehen?
[16:48] Und das ist der wichtige Punkt und wenn das nicht wahrgenommen wird, wenn da niemand ist, der sich dafür verantwortlich fühlt, dann verzögert sich halt alles, was da dranhängt.
Und wir neigen dazu, in dieser Situation, wo es viele Verletzte gibt, die gleichen Bewertungsmaßstäbe anzulegen, wie wir sie von der individualmedizinischen Versorgung kennen. Und das ist ja hier nicht zielführend, weil wenn jeder Patient im Schockraum das ganze Programm bekommt – die ganze Diagnostik, ins CT geht – dann führt das nur dazu, dass dort ein Stau entsteht und die ersten Patienten vielleicht noch davon profitieren und die nächsten, die dann kommen, aber eigentlich geschädigt werden, weil sie erst zeitverzögert operiert werden können.
Und das war uns so wichtig, dass es zum Beispiel auch Eingang gefunden hat in das neue Weißbuch (der Schwerstverletztenversorgung der DGU®), das quasi alle Kliniken, die in irgendeiner Form sich zertifizieren lassen wollen als lokales, regionales oder überregionales Traumazentrum auch nachweisen müssen, dass sie zwei, drei Leute geschult haben in diesen Konzepten, weil sie halt grundlegend abweichen von dem Vorgehen, was wir in den vergangenen Jahrzehnten in der erfolgreichen individual-medizinischen Schockraumversorgung von Schwerstverletzten etabliert haben.

Operativen Versorgung von Traumapatienten

Martin Weber:
[18:07] Danke schön. Wir haben jetzt ganz viel über Notfall- und operative Koordination gesprochen. Jetzt mal für dich als Unfallchirurgen die Frage: Was ist denn mit der operativen Versorgung von Trauma-Patienten? Was ist da zu beachten und was sind deine Erfahrungen damit?

Axel Franke:
[18:22] Also die höchste Priorität hat die zeitnahe Blutstellung, also stop the bleeding, stop the bleeding, stop the bleeding.
Das Problem ist, dass gerade Patienten mit penetrierenden oder perforierenden Körperhöhlenverletzungen über die Zeit sehr viel Blut verlieren und wir wissen, dass je größer die absolute Menge an Blutverlust ist, desto schlechter ist die Prognose für den Verletzten. Nicht nur, weil sich die Gerinnungswerte verschlechtern und der Patient tiefer in den Schock gerät und damit auch die Begleitschäden an anderen Organen zunehmen, sondern auch weil, gesehen auf die Länge des Aufenthaltes auf der Intensivstation und den weiteren Verlauf, alles im Grunde, ich will nicht sagen immer schlimmer, aber immer schwieriger wird.
Und deswegen ist die frühe Blutstillung und überhaupt das zeitnahe Erkennen von Patienten, die in die Körperhöhlen bluten die Herausforderung – weil nur die durch einen Operateur zeitnah operativ versorgt werden und gerettet werden können. Und auch das Stillen von Blutungen an den Extremitäten durch zum Beispiel die Anlage eines Tourniques an den Armen oder Beinen oder zum Beispiel die Tamponade von Wunden im Bereich von Achsel und Leiste – das ist unheimlich wichtig.
Und dann gilt es, diese Patienten zeitnah in den OP zu bringen. Und dort ist es so, dass eine erfolgreiche Versorgung nur sichergestellt werden kann, wenn die beteiligten Anästhesisten und Chirurgen ganz eng Hand in Hand arbeiten, dass so schrittweise durch operative Maßnahmen die Blutungen gestillt werden, der Ersatz von Verlusten an Blut, gerinnungsaktiven Substanzen und der „Patientenallgemeinzustand“ verbessert wird. Sodass dann im weiteren Verlauf, wenn sich alles normalisiert hat, zweizeitig die definitive Versorgung erfolgen kann.
Der Faktor Zeit ist halt das Entscheidende und dementsprechend sind alle Zeitverluste durch Übergaben, durch Schnittstellenprobleme, durch nicht allgemein bekannte Therapieziele, die gemeinsam umgesetzt werden, halt immer schädlich für den Patienten.
Und je besser alle vorbereitet sind und je mehr alle gemeinsam wissen, wie vorgegangen wird und was das Ziel ist – nämlich bei den Patienten schnellstmöglich die Blutstillung zu erreichen und diese zu stabilisieren – desto weniger Reibungsverluste oder, wie Clausewitz das früher so schön gesagt hat in seinem "Buch vom Kriege", Friktionen habe ich und desto schneller bin ich. Und damit rette ich Leben und ermögliche möglichst Vielen das Überleben in so einer Ausnahmesituation.

Dank & Abschied

Martin Weber:
[21:08] Wow, herzlichen Dank, Axel, dass du dir heute die Zeit für uns genommen hast und danke für die wirklich sehr, sehr vielen und guten und umfangreichen Informationen, die du uns gegeben hast und die du mit uns geteilt hast. Ein herzliches Dankeschön auch an dich, lieber Detlef, und an die lieben Kollegen, die in der Vorbereitung und in der Durchführung dieses Podcasts mit eingebunden waren.

Detlef Cwojdzinski:
[21:28] Immer gerne.

Martin Weber:
[21:29] Und natürlich an Sie, liebe Zuhörer, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute wieder unseren Podcast zu hören. Ich möchte Ihnen hiermit auch schon wieder den nächsten Podcast ankündigen. Wir freuen uns darauf, Sie wieder begrüßen zu dürfen. Danke, bleiben Sie gesund und auf Wiederhören.

Detlef Cwojdzinski:
[21:44] Tschüss. Von mir auch.

Axel Franke:
[21:45] Bis dann.

Podcast Krankenhausalarm- und -einsatzplanung


Übersicht