Podcast Krankenhausalarm- und -einsatzplanung: Folge 16 – Sicherheit im Krankenhaus

Gast: André Solarek, Leiter der Stabsstelle "Katastrophenschutz und Notfallplanung" der Charité – Universitätsmedizin Berlin

André Solarek spricht über die Umsetzung der Sicherheit in Krankenhäusern und mögliche Herausforderungen. Dabei geht er auf Punkte ein wie das Konzept des offenen Hauses, die Akzeptanz der Mitarbeiter, Personensicherung und digitale Schließsysteme. Und er gibt Tipps zu baulichen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen und zur Zusammenarbeit mit der Polizei.

Aufnahme am 26. April 2021

Podcast Krankenhausalarm- und -einsatzplanung: Folge 16 – Sicherheit im Krankenhaus

Dauer: 13:42 Quelle: BBK / yapola GbR

Textversion des Audio-Beitrags

Intro & Begrüßung

Martin Weber:
[0:05] Herzlich willkommen zurück zu unserer 16. Episode der Podcastserie zur Krankenhausalarm- und -einsatzplanung. Heute zum Thema Sicherheit im Krankenhaus. Dazu heute unser Gast André Solarek. Herr Solarek leitet beim Vorstand Krankenhausversorgung der Charité die Stabsstelle Katastrophenschutz und Notfallplanung. André, danke, dass du wieder bei uns bist.

André Solarek:
[0:26] Hallo Martin, danke für die Einladung.

Martin Weber:
[0:28] Mit mir zusammen als Interviewpartner begrüße ich ganz herzlich Detlef Cwojdzinksi, der als Experte im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz seit vielen, vielen Jahren den Bereich Krankenhausarm- und -einsatzplanung in Deutschland maßgeblich mit gestaltet und geprägt hat. Hallo Detlef, danke, dass du wieder dabei bist.

Detlef Cwojdzinski:
[0:43] Hallo Martin.

Martin Weber:
[0:44] Ja, liebe Zuhörer, mein Name ist Dr. Martin Weber und ich bin hier an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zuständig für die Ausbildungen im gesundheitlichen Bevölkerungsschutz und damit auch für die Krankenhausalarm- und -einsatzplanung.

Größte Probleme

Lieber André, welches sind deiner Meinung nach die größten Probleme in Bezug auf die Sicherheit in Krankenhäusern? Auch in Bezug auf die Akzeptanz dieses Themas überhaupt?

André Solarek:
[1:12] Ja, ich denke, dass ist das Zusammenbringen dieser beiden Säulen – Sicherheit und Krankenhaus – ich glaube da geht's schon mal los. Das Verständnis dafür zu bekommen bei den Mitarbeitern, aber auch bei den Verantwortlichen im Krankenhaus, dass das Thema Sicherheit wichtig ist und dass Vorkommnisse und Ereignisse aufgearbeitet gehören, die einen sicherheitsrelevanten Aspekt haben. Und eben auch, dass das Personal sensibilisiert wird, bei Ereignissen entsprechend gut agieren zu können.
Man muss, denke ich, gucken: Was sind vielleicht die Hinderungsgründe, warum Sicherheit im Krankenhaus umgesetzt wird? Jeder kennt es, dass Türen oder irgendwelche sicherheitstechnischen Einrichtungen – warum auch immer – außer Betrieb gesetzt werden, um Prozesse nicht zu behindern. Und da muss man eben dann mal gucken: Warum ist das so? Warum klemmt denn da jetzt irgendwo ein Keil zwischen? Oder warum hat da jetzt jemand mal einen Feuerlöscher vor die Tür gestellt? Das heißt also, das Thema Compliance der Mitarbeiter spielt bei dem Aspekt eine riesen, riesengroße Rolle.
Und, ich denke, man darf heutzutage auch ein bisschen skeptisch sein bei dem einen oder anderen, der unser Krankenhaus betritt, und guckt dann vielleicht mal zweimal hin und beobachtet einfach mal: Was macht der hier um diese Uhrzeit in dieser dunklen Ecke?
Also es ist ein sehr breites Thema. Es ist ein Thema, was sehr viel mit Compliance zu tun hat, ist aber auch ein Thema, was glaube ich wahnsinnig viel Geld verschlingen kann.

Bauliche Sicherheitsmaßnahmen

Detlef Cwojdzinski:
[2:44] Ja, das Thema Geld ist dann vielleicht die Vorlage für meine nächste Frage: Welche baulichen Sicherheitsmaßnahmen sind denn Standards im Krankenhaus? Oder – aus deiner Sicht – welche sollten eigentlich Standards sein und sind jetzt vielleicht aus finanziellen Mitteln schwer zu realisieren?

André Solarek:
[3:00] Ja, das Thema der rechtlichen Verordnungen, was im Krankenhaus umzusetzen ist an Sicherheitsmaßnahmen, bezieht sich fast immer nur auf brandschutztechnische Einrichtungen, Fluchtwege und Entfluchtungsanlagen oder Entrauchungsanlagen. Aber es gibt keine Vorgaben, soweit mir bekannt – außer jetzt vielleicht bei gewissen Laboren, die eine gewisse Sicherheitseinstufung haben – wie ein Krankenhaus sicherer zu machen ist. Da gibt einem der Gesetzgeber nicht wirklich viel an die Hand.

Detlef Cwojdzinski:
[3:32] Kannst du das mal konkret machen? An Beispielen im baulichen Bereich jetzt.

André Solarek:
[3:36] Also im baulichen Bereich, klar: wir haben die Vorgabe, dass es Brandschutzverordnungen gibt, dass Krankenhäuser Evakuierungskonzepte haben müssen, dass wir Brandmeldeanlagen haben müssen. Das ist gesetzlich alles vorgeschrieben. Und auch im Rahmen der Arbeitssicherheit gibt es da sehr, sehr viele Regularien. Aber wenn ich jetzt das Thema, was weiß ich, Schließanlagen zum Beispiel mal aufmachen würde: gibt es keine Vorgaben, wie im Krankenhaus eine Schließanlage auszusehen hat. Jetzt ganz plump.

Detlef Cwojdzinski:
[4:03] Ja nee, das passt, ja.

Organisatorische Maßnahmen

Martin Weber:
[4:04] So viel zu den baulichen oder auch den gesetzlichen Anforderungen. Mal zu dem Thema, was vielleicht nicht so viel Geld kostet: die organisatorischen Maßnahmen. Was würdest du denn hier ganz vorne sehen? Was würdest du da empfehlen nach deiner Wahrnehmung und nach deiner langjährigen Expertise? Wo hapert es und wo sollte man als erstes angreifen?

André Solarek:
[4:26] Also organisatorisch kann man ja immer versuchen viel abzufedern, was vielleicht jetzt technisch nicht funktioniert. Standardthema ist ja zum Beispiel immer das Thema Dienstausweis, Identifizierung der eigenen Mitarbeiter – vielleicht auch die, die jetzt nicht in Dienstkleidung unterwegs sind. Ja, wäre ein Thema, was man sich da nochmal im Detail angucken kann. Aber die Frage ist ja: reicht einem eine, wie auch immer geartete, Plastikkarte, auf der ein Name draufsteht? Macht es nicht vielleicht eher Sinn, dieser Karte eine gewisse Intelligenz zu geben, um dort entsprechende Systeme noch mit anzuknüpfen?
Organisatorisch – gehen wir mal in den Bereich der IT-Sicherheit – wäre ein Beispiel, dass sich die Desktop-Anmeldung nach einer gewissen Zeit einfach aktiviert und nicht jeder an irgendeinem PC-Arbeitsplatz gehen kann. Auch in einem Büro. Das sind so in meinen Augen organisatorische Maßnahmen, die man auch low-budget umsetzen kann, die aber sicherlich den Komfort des Mitarbeiters irgendwie ein bisschen einschränken, wenn er sich alle zehn Minuten am Rechner neu anmelden muss.

Dienstausweise

Detlef Cwojdzinski:
[5:31] André, du hast ja eben das Thema Dienstausweise schon mal angesprochen. Ich weiß ja, dass viele Krankenhäuser eben tatsächlich keine Dienstausweise ausgeben, weil der Aufwand so groß ist. Wie ist denn deine Einschätzung dazu? Sind Dienstausweise zur Sicherheit im Krankenhaus zwingend?

André Solarek:
[5:47] Ich sage mal salopp: Wenn der Dienstausweis dumm ist, also wenn er nichts kann, außer nur vielleicht ein Foto anzeigen und vielleicht eine Personalnummer und den Namen des Mitarbeiters, denke ich nützt er nur bedingt was.
Aber wenn man den Dienstausweis mit Funktionen verknüpft, ihn mit der Schließanlage koppelt, ihn vielleicht auch zur Authentifizierung in der IT braucht oder für die PointOf-Care-Geräte, wenn man damit in der Mensa bezahlen kann oder den Drucker aktivieren kann, dann – finde ich – macht einen Dienstausweis extrem viel Sinn in einem Krankenhaus.

Schließsystem

Detlef Cwojdzinski:
[6:22] Du hast ja auch schon das Thema Schließsysteme angesprochen. Also ich kann es mir ja wirklich als sehr schwieriges Thema vorstellen bei den unendlich vielen Türen in einem Krankenhaus. Aber für dich ist das sehr wesentlich im Sicherheitskonzept, wenn ich dich richtig verstanden habe. Was muss man dabei unbedingt beachten?

André Solarek:
[6:39] Ja, Schließsysteme sind auch so ein Punkt – wir hatten das Thema Geld ja schon angesprochen – der wahnsinnig teuer ist, aber der, glaube ich, mit einer der wichtigsten Punkte in so einem Sicherheitskonzept ist.
Digitale Schließsysteme bieten viele Möglichkeiten, um beispielsweise Sicherheitszonenkonzepte abzubilden. Also wo ich mehrere Räume in einem definierten Bereich zusammenfassen kann und eben dann für einen Bereich Zugangsberechtigung für denjenigen entsprechend ausgebe.
Die Kehrseite ist, wenn man mit normalen Schlüsseln arbeitet, hat man eine eher schlechte Kontrolle darüber, ob denn die Schlüssel vielleicht nach Ausscheiden des Mitarbeiters auch wieder ins Unternehmen zurückkommen. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob die Schlüssel nicht vielleicht kopiert worden sind oder wie auch immer weggekommen sind. Bei einem digitalen Schließsystem kann ich den Mitarbeiter einfach sperren oder ihn nach Ablauf des Arbeitsvertrages einfach aus dem System nehmen und damit ist das Thema dann eigentlich auch vom Tisch.
Mitarbeiter können, wenn sie den Bereich wechseln, durch wahrscheinlich Anklicken eines Einzelnen Häkchens von einem in den anderen Bereich umgeswitcht werden, ohne dass der Mitarbeiter dann über den Schlüsseldienst wieder neue Schlüssel braucht. Also die Vorteile für ein digitales Schließsystem liegen eigentlich auf der Hand. Aber es muss gut und klug durchdacht sein.

Martin Weber:
[8:03] Hört sich jetzt aber auch nicht so – Detlef, du hast es ja grad eben schon gesagt – nicht so wirklich kostenneutral an.
Ein Punkt noch ist mir eingefallen zum Thema Dienstausweise. Es gab ja in der Vergangenheit das ein oder andere Mal durchaus Probleme, zum Beispiel bei einer Bombenräumung – also bei der Entschärfung einer Fliegerbombe, nicht einer Bombendrohung – wo Mitarbeiter in Krankenhäusern zum Dienst kommen sollten Probleme hatten, dass diese ohne Dienstausweis einfach nicht durch die Polizeisperren gelassen wurden, weil sie sich nicht richtig ausweisen konnten. Was dann halt aber auch erhebliche Probleme für die Leute, die im Dienst waren, ausgelöst hat, weil die wollten ja ins Frei gehen. Die wollten ja ihre Schicht beenden, konnten aber nicht, weil die nächsten Kollegen zur Ablösung einfach nicht gekommen sind. Auch da können natürlich Dienstausweise, die außerhalb des Krankenhauses eine gewisse Legitimierung bieten, eine Lösung sein, um da durchzukommen, wenn auch keine Garantie.

André Solarek:
[8:57] Aber da muss man dazu sagen, das sollte möglichst auch im Vorfeld dann immer auch abgesprochen sein. Also wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch nicht jeder Polizist diesen Dienstausweis dann als Legitimation anerkennt und, je nachdem was wir für eine Bedrohungslage haben, hat es ja auch seine Berechtigung, wenn die Polizei dann trotz Dienstausweis Mitarbeiter vielleicht nicht vorlässt. Aber das ist dann immer im Einzelfall zu betrachten.

Tipps und Tricks

Martin Weber:
[9:23] Was hast du denn noch für besondere Tipps und Tricks zum Thema Sicherheit im Krankenhaus? Oder wo brennt es aktuell zum Beispiel bei dir in deinem Krankenhaus gerade eben besonders? Was treibt dich gerade um?

André Solarek:
[9:33] Das Thema Schließkonzept ist sicherlich ein großes Thema. Wir sind ja ein Unternehmen, was sozusagen sich auch permanent neu entwickelt und wir versuchen ja auch bestehende Strukturen, grade beim Thema Schließungen, im laufenden Betrieb umzusetzen und das ist eine Mammutaufgabe.
Was mich auch immer umtreibt oder vermehrt umtreibt, ist das Thema der Personensicherung. Also das heißt, auch hier technische Möglichkeiten zu schaffen, wie Personal sich in einer ich sag jetzt mal bedrohlichen Situationen entsprechend hörbar machen kann. Das heißt also, wenn ich nachts vielleicht alleine auf einer Station bin und habe einen Notfall oder werde bedroht, dass ich dann eben die Möglichkeit habe über einen Notrufknopf, den ich vielleicht am Telefon habe oder über ein einen gesonderten Knopf, den ich vielleicht am Kittel habe, dann entsprechend Hilfe zu holen.
[10:27] Das sind so Systeme, mit denen wir uns auch zunehmend beschäftigen.
Oder eben für Leute, die an administrativen Arbeitsplätzen sitzen, an zentralen Anmeldebereichen. Auch die können mal Opfer von Bedrohungen werden. Dass die die Möglichkeit haben beispielsweise über ihren PC eine Alarmierung entsprechend abzusetzen. Das sind so Themen, mit denen wir uns beschäftigen.
Aber eben auch damit, wie man Bereiche vielleicht unattraktiv machen kann für beispielsweise Drogenkonsumenten, was ja auch bei uns in Berlin ein Problem ist. Muss man eben überlegen, wie man vielleicht öffentliche Toilettenräume zum Beispiel für dieses Klientel unattraktiv machen kann, um eben da ja gewisse Problemreduzierungen herbeizuführen.

Offenes Krankenhaus

Martin Weber:
[11:10] Danke dir, André. Du hattest ja jetzt gerade eben von den öffentlichen Bereichen gesprochen und vorhin war ja das Thema offenes Krankenhaus angesprochen worden. Was sind denn da die ganz besonderen Herausforderungen, die es jetzt für Krankenhäuser heutzutage gibt? Die ja wirklich komplett offen nach allen Seiten hin oder von allen Seiten her meistens zugänglich sind.

André Solarek:
[11:33] Ja, da sind wir auch leidgeprüft, ne? Also wir haben ja an unseren Standorten auch das Konzept des offenen Hauses und wir hatten ja schon einige Situationen, wo man sich gewünscht hätte, den Laden mal wirklich komplett zuzumachen. Das gelingt uns an dem einen Standort mehr, an dem anderen weniger und wir gehen jetzt auch immer mehr dazu über, die guten alten Rolltore wieder zu aktivieren, um wirklich da auch einen kompletten Verschluss des Gebäudes oder auch des Standortes herbeizuführen. Wir sind dabei, die Gebäudeeingänge so zu ertüchtigen, dass eben keiner mehr so ohne weiteres reinkommt, versuchen das alles über zeitgesteuerte Schließungen und so weiter zu realisieren, was eine extreme Erleichterung auch für den Sicherheitsdienst ist.
Und was wir auch machen, ist, dass wir im Rahmen unserer regelmäßigen Gespräche mit der Polizei eben dort auch Unterstützungsmaterial anbieten, dass die Polizei auch weiß, wie sie sich bei uns auf dem Gelände bewegen kann, in welchem Gebäude vielleicht Gefahrenquellen sind, wo die Polizei jetzt nicht unbedingt reinlaufen sollte, beispielsweise MRT oder so. Oder irgendwie in ein Level-3-Labor, das kommt, glaube ich, auch ungünstig. Und das sind so Sachen, die muss man eben vor Ort sich mit der Polizei angucken.
Ich kann auch jedem nur wärmstens empfehlen, sich mit der Polizei mal einen Tag Zeit zu nehmen, wirklich mal in aller Ruhe über den Standort zu laufen oder über das Krankenhausgelände zu laufen, um eben Hotspots auszumachen. Also unsere Polizei hat sich da sehr drüber gefreut und hat sich auch wahnsinnig viele Dokumente dafür angelegt, um eben in einer Einsatzsituation die Einsatzkräfte dann gut im Krankenhaus führen zu können.

Dank & Abschied

Martin Weber:
[13:14] Herzlichen Dank für die ganzen Einblicke, mein lieber André. Danke an meine Kollegen, die mich wieder hervorragend bei der Vorbereitung und Ausrichtung dieses Podcasts unterstützt haben und die das mit mir durchgeführt haben.
Liebe Zuhörer, ein herzliches Dankeschön an Sie für Ihr Interesse. Wir hören uns wieder zum nächsten Podcast und damit bis zum nächsten Mal. Tschüss, adieu und auf Wiedersehen.

André Solarek:
[13:35] Dankeschön.

Detlef Cwojdzinski:
[13:36] Macht es gut miteinander, tschüss.

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